Nur schwer zu begreifen

 
 

Die amerikanische Biochemikerin und Chemieingenieurin Frances H. Arnold vom California Institut für Technologie in Pasadena erhält in diesem Jahr eine Hälfte des Nobelpreises für Chemie „für die gerichtete Evolution von Enzymen“. Durch diese Begründung rückt die Evolution als ein Werkzeug des Menschen, der Wissenschaft, ins Blickfeld, und es kommen Fragen nach grundsätzlichen Mechanismen der Evolution auf. Die Thematik insgesamt beleuchtet dieser Themenschwerpunkt. Bemerkenswert: Grenzen zwischen der Kontingenztheorie der Evolution und der Konvergenztheorie, aber auch zwischen natürlicher und künstlicher Evolution erhalten mehr und mehr nur einen historischen Charakter. Man erkennt, dass eine Vielzahl von Mechanismen bei evolutionären Prozessen ineinandergreifen. Dies hat im Laufe der Zeit – eine Milliarden Jahre umfassende – zu sehr komplexen Erscheinungsformen geführt. Lange waren die Menschen nicht in der Lage, solche Zeiträume wenigstens faktisch nachzuvollziehen, auch wenn sie gefühlsmäßig nicht zu begreifen sind. Daher konnte man sich eine Entwicklung wie die eines Auges nicht anders vorstellen als durch einen Schöpfer veranlasst. Mittlerweile hat die Wissenschaft bemerkenswerte Erfolge erzielt. Eine allgemein akzeptierte „vereinheitlichte Theorie“ der Evolution existiert allerdings noch nicht; man nähert sich ihr jedoch „asymptotisch“ an: Zu vielfältig waren bislang die Erscheinungen, die unter einen Hut zu bringen sind.

Das Wort „Evolution“ stammt von dem lateinischen Verb „evolvere“. Dies hat die Bedeutung von „herausrollen“, „auswickeln“, „entwickeln“. Diese Worte beschreiben, dass mit der Zeit etwas erscheint, was zuvor verborgen war. Evolution ist also mit dem Vergehen der Zeit verbunden, und es stellt sich die Frage: Ist all das, was nach und nach erscheint, schon irgendwie vorhanden – oder zumindest: Gibt es eine Vorschrift, die die Entwicklung beschreibt? Der Begriff „Evolution“ berührt damit fundamentale Fragen etwa nach Determinismus, Zufall oder Freiheitsgraden. Daher nimmt es nicht Wunder, dass das Spektrum der Erklärungen zur Evolution von wissenschaftlich unhaltbaren, religions-inspirierten Ansichten wie heutzutage dem „Intelligent Design“ über die erste wissenschaftlich orientierte Theorie von Charles Darwin (Abbildung 1), ausgeführt in seinem 1859 erschienenen Buch „The Origin of Species“ bis aktuell zur Konvergenztheorie, Kontingenztheorie, synthetischen Evolutionstheorie, zur erweiterten Synthese der Evolutionstheorie (Extended Evolutionary Synthesis, EES) oder zu Dissipations-getriebener Anpassung reicht.

 

Die unglaubliche Vielfalt der Erscheinungen in der biologischen Evolution

macht das Aufstellen einer „vereinheitlichten Theorie“ kompliziert


Autor: Rolf Kickuth