Mit Chemie aus dem
Computer zum Weltraumaufzug?

 
 

Wenn man in der Vergangenheit an hoch belastungsfähige Materialien gedacht hat, kam einem zunächst Stahl in den Sinn – ließen sich damit doch trefflich Kanonen und Panzer bauen. Erfreulicherweise wandelten sich die martialischen Stahlkarossen dann Mitte des vergangenen Jahrhunderts in ein Hauptsymbol des Wirtschaftswunders, das Auto für jedermann. Mit dem aufkommenden ökologischen Bewusstsein zeigte Stahl aber auch seine Schwäche: Mit ihm muss viel Masse bewegt, viel Energie dafür aufgewendet werden. Schon vor dem 2. Weltkrieg machte ein Kunststoff dem Stahl in Teilen der Einsatzbereiche Konkurrenz: Perlon, genutzt u.a. zunächst für Fallschirme. Nach dem Krieg auch hier ein Wandel: Mit den Polyamiden Perlon (Polyamid 6) bzw. seinem US-amerikanischen Pendant Nylon (Polyamid 6.6) verband man eher attraktive Damenstrumpfmode. Man wandte sich zudem anderen Materialien zu, entdeckte Spitzenleistungen der Natur, den Spinnenfaden – und versuchte, ihn mit technischen Fasern zu übertreffen. Ein Ergebnis davon waren Aramide, bekannteste Anwendung wieder einmal eine militärische: schusssichere Westen. Jetzt macht sich die Computertechnik auf, Materialien zu errechnen, die noch fester sind. Zur Erinnerung: Gerade wurde zwei Vertretern der Computerchemie der Chemienobelpreis verliehen. Das derzeitige – hypothetische – Spitzenprodukt heißt Carbyne. Mit ihm könnte ein Weltraumaufzug möglich werden, aber auch schon mit Carbenen oder eventuell mit Kohlenstoffnanoröhren – sofern man es für sinnvoll – und bezahlbar – hält.

Festigkeiten von Stahl über Perlon, Kevlar, Zylon, Carbon, CNTs bis zu Carbyne      Autor: Rolf Kickuth