Beim Nichtstun aktiv

 
 

Die künstliche Intelligenz (KI) der ebenso künstlichen neuronalen Netze ist gerade in aller Munde. Man diskutiert, ob sie bald die menschliche Intelligenz überflügelt. Wie ich in CLB 3/4-2018 dargelegt habe, ist die derzeitige KI noch sehr beschränkt. Beispielsweise ist sie noch nicht in der Lage, aus wenigen Beispielen zu lernen, muss etwa mit Millionen Katzenbildern gefüttert werden, um Katzen zu erkennen. Ebenso fehlt ihr das Vermögen, kontextuelle Zusammenhänge richtig zu erkennen. Das muss aber nicht so bleiben. Maßgeblich für besonders hochstehende Leistungen des menschlichen Gehirns sind offenbar vielfältige Rückkopplungsmechanismen, die sich nach und nach auch in künstlichen Neuronetzen finden. Zudem gibt es Verbindungen im Gehirn zwischen verschiedenen seiner Regionen. Entsprechende Architekturen finden bei künstlichen Neuronetzen noch kein Abbild.


Ein solches großräumiges Netz im Gehirn hat man im Jahre 2001 entdeckt. Bemerkenswerterweise ist es immer dann aktiv, wenn wir uns eigentlich in Ruhe befinden. Daher nennt man dieses Netzwerk auch Ruhezustandsnetzwerk, auf englisch Default Mode Network (DMN). In jüngster Zeit zeigt sich eine lawinenartige Zunahme von Veröffentlichungen darüber, und es werden Eigenschaften bekannt, die weit über ein Tagträumen hinausgehen. Immer mehr stellt sich bei den Arbeiten heraus, dass dem Default Mode Network sowohl maßgebliche Lenkungseigenschaften in der Gehirnentwicklung und Aktivitätssteuerung wie auch grundlegende Beteiligung an kreativen Prozessen zuerkannt werden müssen. Ebenso lassen sich über die Funktion des DMN auch Schlüsse zu Krankheiten ziehen – und die Wirkung von psychoaktiven Substanzen von LSD oder Psilocybin teilweise erklären.


So ein Gehirnregionen-Verbund sollte eigentlich nicht verwundern; schließlich ist das Hirn nicht an einem Tag entstanden und homogen, sondern hat sich vielgestalt über die Zeit evolviert. Technisch passiert das ja auch: Man hat in einem Computer einen Hauptprozessor, eine Grafikeinheit, demnächst neuromorphe Chips, und vielleicht Anbindungen zu Quantencomputern...





Default Mode Network: Ein großräumiges Netzwerk im Gehirn sorgt nicht nur für Tagträume, sondern auch für Zukunftsplanung – und sucht nach Schönheit


Autor: Rolf Kickuth