Quantencomputer und Quantenkommunikation: Ihre möglichen Anwendungen

Autoren: Jan Dennis Gumz, Simon Sebastian Hunt, Dr. Michael Stemmer, Sebastian Bock, Nikolay Tcholtchev, Denny Mattern, Prof. Dr. Adrian Paschke und Prof. Dr. Marian Margraf

Vor drei Jahren hat die CLB in Ausgabe 1/2-2019 Grundlagen der Quantenmechanik und Grundlagen sowie mögliche Anwendungen von Quantencomputern als Schwerpunktthema behandelt. Mittlerweile hat die Thematik in Fachkreisen außerordentlich große Beachtung gefunden. Hinsichtlich der Chancen und Risiken der neuen Technologie gibt es in dieser und in der folgenden Ausgabe der CLB einen aktualisierten, leicht zu verstehenden Überblick über den derzeitig abzusehenden Entwicklungsstand sowie über mögliche politische und gesellschaftliche Konsequenzen und Handlungsoptionen. Plakativ startet er mit sieben Thesen, die aufhorchen lassen.

Wette mit Chance als Gamechanger

Am 17. Januar wurde am Jülich Supercomputing Centre (JSC) ein Quantencomputer der kanadischen Firma D-Wave Systems eingweiht. (Foto: FZ Jülich / Sascha Kreklau). Man charakterisiert ihn typischerweise mit seinen über 5000 Qbits. Das ist eine Anzahl, über die Quantencomputer nach anderen Beschreibungen erst in ein paar Jahren verfügen sollen. Der Hintergrund: Es ist ein Quantenannealer. Das ist kurz gesagt die analoge Version eines Quantencomputers. In ihm gibt es keine Quanten-Logikgatter, die Quanten- Versionen digitaler logischer Schaltelemente. Andere Quantencomputer nutzen solche Quanten-Logikgatter; und man versucht, mit ihnen einen universellen Quantencomputer mit Turing-Vollständigkeit zu entwickeln. Ein Quantenannealer kann z. B. nicht dazu dienen, den Shore-Algorithmus zur Fraktionierung von Zahlen laufen zu lassen, das von Kryptographen gefürchtete Verfahren zum Knacken von Codes. Für Optimierungsaufgaben wie etwa das Travelling- Salesman-Problem ist der Quantenannealer hingegen gut geeignet. Er findet quasi die Täler einer Gebirgslandschaft, die energetischen Minima. Damit ähnelt er dem Verhalten von Atomen in Schmelzen, die langsam abkühlen und auskristallisieren, wobei die Atome Plätze minimaler Energie einnehmen. Dabei wird nicht mit einzelnen Qubits gerechnet, sondern sie sind Teil eines physikalischen Prozesses – eben des „simlated annealing“. Die zugrunde liegende Arbeitsweise des Rechners lehnt sich an die Ermittlung energe- tischer Zustände in Spingläsern an – und damit auch an künstliche Neuronetze vom Hopfield-Typ oder vom Hidden Markov-Typ. Spingläser sind magnetische Materialien, in denen die Richtungen von statistisch orientierten magnetischen Momenten der Atome ohne eine langreichweitige magnetische Ordnung eingefroren sind, ähnlich der strukturellen Unordnung von Gläsern (siehe CLB 11/12-2012, Themenschwerpunkt Glas). Quantenannealer sind für die Industrie durchaus von Interesse, etwa – wie es VW macht – um Verkehrsflüsse effizient zu steuern oder um künstliche neuronale Netze für Anwendungen der Künstlichen Intelligenz zu trainieren. D-Wave ist ein führender Hersteller von Quantensystemen dieses Typs. Kunden des Unternehmens haben frühe Quantenanwendungen in so unterschiedlichen Bereichen wie Finanzmodellierung, Flugplanung, Wahlmodellierung, Quantenchemie- Simulation, Automobilbau, Gesundheitsvorsorge, Logistik und mehr entwickelt. Das neue System in

Jülich ist nicht nur das größte seiner Art in Europa. Es soll auch das neue System in die Supercomputer- Infrastruktur des FZ Jülich integriert werden, was durch die Größe des Annealers möglich erscheint und das erste System weltweit dieser Art wäre. RK

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